Neues Patentsystem - was bedeutet das für Patentinhaber?

Entscheiden Sie sich für das Einheitspatent, muss der Schutz nicht in einzelnen Ländern individuell beantragt werden. Dies spart in einigen Konstellationen Kosten, unter anderem für Übersetzungen und jährlich anfallende Aufrechterhaltungsgebühren. Unseren Kostenrechner für die Aufrechterhaltungsgebühren finden sie HIER . Andererseits ergibt sich für Patentinhaber:innen ein höheres Risiko: Ein Einheitspatent kann durch ein einziges Nichtigkeitsverfahren vor dem UPC für alle Länder, in denen es gültig ist, zu Fall gebracht werden. Ein sogenannter „Opt-out“ ist nicht möglich.

Wenn Sie bisher nichts unternommen haben, ist Ihr Europäisches Patentportfolio zum 1. Juni 2023 automatisch Teil des UPC-Systems geworden. Damit ist das UPC für Ihre europäischen Patente zuständig, während einer 7-jährigen Übergangszeit neben den nationalen Gerichten. Wenn Sie dies nicht wollen, müssen Sie aktiv werden und die Opt-out-Option für Ihre europäischen Patente wählen. Bis zum 1. Juni 2030 (wird ggf. verlängert bis 2037) können die Inhaber:innen nationaler Teile europäischer Patente die ausschließliche Zuständigkeit des UPC ablehnen, solange noch keine Klage beim UPC eingereicht wurde. Nach dem Opt-out gelten dann unverändert die nationalen Gerichtssysteme und die Brüssel-Ia-Verordnung. Der Opt-out ist nur für „klassisch“ validierte Europäische Patente möglich, also nicht für das Einheitspatent.

Wenn Sie einen Opt-out in Erwägung ziehen, ist es hilfreich, die eingetragene Inhaberschaft für das Patent auf den neuesten Stand zu bringen. Diese kann sich beispielsweise durch Unternehmensübernahmen im Laufe der Jahre geändert haben. Nur die tatsächlichen Patentinhaber:innen können ein Opt-out beantragen, wobei sie dafür jedoch nicht zwingend als Inhaber:innen im Register eingetragen sein müssen.

Bisher verhinderte das Doppelschutzverbot, dass für dieselbe Erfindung durch ein deutsches Patent und ein europäisches Patent doppelter Schutz in Deutschland bestand. Dies hat sich mit dem Start des Einheitspatentsystems geändert. Das Doppelschutzverbot gilt nur noch für europäische Patente, für die ein Opt-out erklärt wurde. Für national validierte europäische Patente („Bündel“-Patente ohne Opt-out) und für Einheitspatente (europäische Patente mit einheitlicher Wirkung) ist Doppelschutz möglich. Dies hat klare Vorteile: Ein flankierender Schutz durch ein nationales deutsches Schutzrecht dient als Rückversicherung im Fall einer Nichtigkeitsklage gegen das korrespondierende europäische Patent vor dem UPC. Zudem steht für die Durchsetzung ein zusätzliches, gezielt vor deutschen Verletzungsgerichten einsetzbares Schutzrecht im Patentportfolio zur Verfügung.

Wichtig ist auch, zu beobachten, in welchen Bereichen Ihre Wettbewerber:innen Patente anmelden und erteilt bekommen. Patente von Konkurrent:innen können ein substanzielles Risiko für Produktion und Vertrieb innerhalb der EU darstellen, das sich durch so genannte Freedom-to-Operate Analysen (FTO) gut abschätzen und einhegen lässt. Sind potenziell gefährliche Patente oder Anmeldungen identifiziert, ist es in jedem Fall ratsam, Schutzschriften beim Einheitlichen Patentgericht zu hinterlegen. Eine Schutzschrift ist eine vorbeugende Verteidigung gegen einen erwarteten Angriff und kann zumindest Überraschungsentscheidungen ohne vorherige Möglichkeit zur Stellungnahme verhindern.