Originaltext: Nachrichten aus der Chemie, September 2025, S. 49-50, DOI, PDF.
Heureka — und dann? In Deutschland regelt das Arbeitnehmererfindergesetz, wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber vorgehen müssen, wenn Mitarbeitende etwas erfinden, wer Diensterfindungen beanspruchen darf und wer daran verdient.
Deutschland war und ist ein Land der Erfinder. Sie entwickeln neue technische Lösungen oder Produkte häufig am Arbeitsplatz oder mit einem Bezug zum Arbeitsverhältnis.
Wem gehört eine solche Erfindung, Arbeitnehmer oder Arbeitgeber? Das regelt das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen, inklusive aller Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im privaten und im öffentlichen Dienst, von Beamten und Soldaten.
Das Ziel: einen gerechten Ausgleich schaffen zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an der wirtschaftlichen Nutzung der Erfindung und dem Beitrag des Arbeitnehmers.
Das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbErfG) verpflichtet Arbeitnehmer, jede Diensterfindung unverzüglich zu melden. Dazu gehört jede Erfindung, die der Arbeitnehmer während seines Arbeitsverhältnisses gemacht hat und die aus seiner Tätigkeit im Betrieb entstanden ist oder maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht. Ob der Arbeitnehmer die Diensterfindung im Labor, im Homeoffice oder unter der Dusche gemacht hat, ist irrelevant; es kommt allein darauf an, dass sie etwas mit seinem Job zu tun hat. Alle anderen Erfindungen sind freie Erfindungen.
Gibt der Arbeitgeber eine Diensterfindung nicht innerhalb von vier Monaten frei, nachdem der Arbeitnehmer sie gemeldet hat, bekommt er automatisch die Rechte daran, auch wenn er sie gar nicht haben wollte. Dadurch ergeben sich allerdings auch Pflichten; der Arbeitgeber sollte also prüfen, ob er Interesse an der Diensterfindung hat. Beansprucht der Arbeitgeber die Erfindung, muss er sie in Deutschland zum Patent anmelden und den Erfinder über das Anmeldeverfahren auf dem Laufenden halten. Zudem ist der Arbeitnehmer für seine Erfindung zu vergüten – zusätzlich zum regulären Gehalt.
Der Arbeitgeber darf die Rechte des Arbeitnehmererfinders nicht übergehen. In ausländischen Staaten, in denen der Arbeitgeber keine Schutzrechte erwerben will, ist die Erfindung für den Arbeitnehmer freizugeben, sodass dieser dort selbst - auf eigene Kosten - ein Patent anmelden kann.
Die Erfindungsmeldung muss für den Arbeitgeber als solche zu erkennen und verständlich sein, damit er innerhalb der Frist entscheiden kann, ob er die Erfindung beanspruchen möchte. Der Arbeitnehmer muss nachvollziehbar darlegen, wie die Erfindung zustande kam und technisch funktioniert.
Für Unternehmen empfiehlt es sich, einheitliche Meldeformulare und interne Richtlinien zu etablieren. Das reduziert den Aufwand, die Erfindung zu prüfen und eine Patentanmeldung auszuarbeiten. Außerdem erhöhen *vorgegebene Prozesse die Rechtssicherheit – auch zugunsten des Arbeitgebers, denn für ihn lohnende Erfindungen werden dadurch weniger irrtümlich freigegeben. Die Erfindung und der Rechtsübergang werden so transparent und auch Jahre später nachvollziehbar erfasst. Miterfinder weiden bei der Erfindungsmeldung nicht vergessen - und falls doch, liegt das Versäumnis beim (nicht) meldenden Erfinder.
Im Unternehmen sollte eine zentrale Stelle, etwa ein Intellectual-Property (IP)-Manager oder eine Patentabteilung, verantwortlich dafür sein, Erfindungsmeldungen entgegenzunehmen, zu bewerten und zu dokumentieren. Digitale Tools und Erfinderportale, die die Fristen automatisiert überwachen, können dabei helfen.
Wichtig ist, im betrieblichen Vorschlagswesen rechtzeitig zwischen Erfindungen und Ideen zu unterscheiden. Patent- oder gebrauchsmusterfähig sind Erfindungen auf Gebieten der Technik, wenn sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Beim Verknüpfen mit dem betrieblichen Vorschlagswesen besteht die Gefahr, dass zu viele Menschen grundsätzlich patentfähige Erfindungen sehen, sodass sie nicht mehr neu sind. Dennoch können auch Ideen und technische Verbesserungsvorschläge für den Arbeitgeber einen wirtschaftlichen Vorteil bieten, auch wenn sie nicht neu und erfinderisch sind.
Welche Vergütung der Arbeitgeber schuldet, lässt sich mit drei Kriterien bemessen:
Allgemein gilt: Je eher es in das Aufgabengebiet des Arbeitnehmers fällt, zu erfinden, desto mehr gilt das Erfinden als über das Gehalt abgegolten. Das heißt, desto geringer ist der Arbeitnehmer dafür extra zu vergüten.
Helfen können Arbeitgebern die amtlichen Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst, die auf der Webseite des Deutschen Patent- und Markenamtes zu finden sind. Allerdings wurden diese Richtlinien zuletzt im Jahr 1983 aktualisiert. Die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts schlägt deshalb vor, beim Anwenden der Richtlinien die Inflation seit 1983 einzubeziehen.
Die Spanne der Vergütungen ist groß. Sie reicht von symbolischen Beträgen im einstelligen Eurobereich bis zu vier- bis fünfstelligen Eurobeträgen pro Jahr, etwa für umsatzstarke neue Produkte in der chemischen oder pharmazeutischen Industrie. Solch hohe Vergütungen sind allerdings eher die Ausnahme.
Arbeitnehmer überschätzen oft, welche Vergütung ihnen zusteht, und klagen. Das ist meist für beide Parteien teuer und unbefriedigend, weil sich meistens aus der Klage kein deutlich anderer Betrag ergibt. Zudem regen die Gerichte gerne zu einem Vergleich der Parteien an – für beide meist ebenso unzufriedenstellend –, und es fallen Gerichts- sowie Anwaltskosten an. Die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts kann angerufen werden, wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber streiten. Sie muss versuchen, eine gütliche Einigung zu erreichen. Ist der Erfinder noch beim Arbeitgeber angestellt, ist ein Verfahren vor der Schiedsstelle Pflicht, bevor der Arbeitnehmer gerichtlich klagen darf.
In Unternehmen mit vielen Erfindungsmeldungen bietet es sich nicht an, individuell nach den amtlichen Richtlinien zu vergüten. Es sind nämlich für jede Erfindung jedes Jahr konkrete Umsatzzahlen und daraus die Vergütung zu ermitteln.
Eine Lösung sind transparente Pauschalvergütungsmodelle, wenn die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen.
Solche Modelle umfassen beispielsweise:
Wichtig ist: Die Vergütung muss nicht exakt so ausfallen, wie wenn die Erfindung als Einzelfall bewertet würde, muss aber gerecht sein - auch rückblickend und langfristig.
Für Arbeitnehmer können Pauschalvergütungsmodelle vorteilhaft sein. Verzichten sie etwa auf Rechte, die die meisten Diensterfinder sowieso kaum nutzen - wie ein Patent auf eigene Kosten weiterzuführen, wenn der Arbeitgeber kein Interesse mehr hat -, bekommen sie dafür Geld. Zudem erhalten Arbeitnehmer über die Pauschalmodelle regelmäßig schneller eine Vergütung, nämlich eine Teil innerhalb weniger Wochen. Das fördert Innovationen. Regulär wird nur jährlich vergütet und nur, wenn die Erfindung wirtschaftlich genutzt wurde.
An Hochschulen kann sich die Vergütung besonders lohnen: Wird eine Erfindung verwertet, beträgt die Vergütung fortlaufend 30 Pro-zent der Einnahmen, die die Erfindung generiert. Für andere Gruppen, etwa Arbeitnehmer im privaten Bereich, ist das ein unerreichbarer Anteil. Obwohl Patente einen großen finanziellen Wert für den Eigentümer haben können, nutzen manche Universitäten ihre Patente oft selbst nicht oder machen Spinoffs unnötig schwer.
Das deutsche Gesetz über Arbeitnehmererfindungen gilt als eines der weltweit detailliertesten, um die Rechte angestellter Erfinder und ihrer Arbeitgeber abzusichern. In anderen Ländern ist das nicht geregelt oder weniger ausführlich, beispielsweise in anderen Ländern des DACH-Raums.
Im österreichischen Recht finden sich Elemente des deutschen Arbeitnehmererfinderrechts in den M 6 bis 20 des Patentgesetzes. In der Schweiz bildet Artikel 332 E des Obligationenrechts die Grundlage für die Arbeitnehmererfindervergütung.